Geschichte und Gebäude
Geschichte
Von der Geheimkirche zur Kathedrale

Nach der Reformation im 16. Jahrhundert waren unter anderem Katholiken gezwungen, ihren Glauben im Geheimen auszuüben. Die ehemalige Gemeinde der Geertekerk zog 1634 in ein mittelalterliches Haus und richtete es als geheime Kirche ein.
Das heutige Aussehen der Gertrudiskapelle entstand hauptsächlich während der Renovierung von 1697. Die Böden des Hauses wurden durchbrochen, wodurch Galerien entstanden. Der barocke Altar, die Statuen und die Gemälde bilden ein stimmiges Ganzes. Viele der Gemälde stammen aus dem Atelier der Utrechter Malerfamilie Bloemaert. Nach dem Schisma mit der römisch-katholischen Kirche im Jahr 1723 wurde die Gertrudiskapelle zur Hauptkirche der Altkatholiken gewählt.
Im 19. Jahrhundert waren die Wände der Kirche weiß und goldfarben gestrichen. Bei der umfassenden Restaurierung von 1991–93 stellte man jedoch fest, dass die Wände vermutlich grün waren. Aufgrund der hohen Kosten, aber auch um die Baugeschichte zu bewahren, entschied man sich, nur die Westwand in ihren ursprünglichen Zustand zu versetzen.

Nach dem Umzug der Gemeinde in die neue St.-Gertrudis-Kathedrale Anfang des 20. Jahrhunderts verfiel die Kapelle. Die ehemalige Geheimkirche ist heute Teil des Saalkomplexes „In de Driehoek“, der für Versammlungen und andere Veranstaltungen gemietet werden kann. Während der Kirchenbesichtigungssaison können Besucher die besondere Kapelle unter Führung eines Führers besichtigen.
Der Bau der St. Gertrudenkathedrale

Neben der Gertrudiskapel wurde zwischen 1912 und 1914 nach einem Entwurf von E.G. Wentink die Ste. Gertrudiskathedraal errichtet. Die Kirche wurde im neoromanischen Stil erbaut. Dies war eine Hommage an die abgerissene romanische Mariakerk. Mit dem neoromanischen Baustil wollten sich die Altkatholiken auch deutlich von den römisch-katholischen Kirchen abgrenzen, die für ihre Kirchenbauten oft die Neugotik verwendeten.
Die St.-Gertrudis-Kathedrale ist eine Basilika mit zweitürmiger Front. Die Kirche ist mit Backstein und Naturstein verkleidet, das Mittelschiff ist mit einem hölzernen Tonnengewölbe überspannt. Viele Bauelemente wurden von der Marienkirche übernommen, wie die quadratischen Türme, die drei Eingänge sowie die rundbogigen Torbögen und Fenster. Es gab aber auch zahlreiche internationale Vorbilder. So weisen die Türme Ähnlichkeiten mit denen der Kirche im französischen Puissalicon auf.
Die Wandmalereien in den Triumphbögen finden sich in San Apollinare in Classe in Ravenna. Viele Innenausstattungsstücke haben auch internationale Vorbilder, wie etwa das schmiedeeiserne Tor des Baptisteriums (San Praxede, Rom), die Kronleuchter im Mittelschiff (Dom, Aachen) und die Kommunionbank (San Apre, Toskana).
Ein riesiger Reliquienschatz
Im 16. Jahrhundert plünderten Protestanten zahlreiche katholische Kirchen. Katholiken versuchten, ihre Kirchenschätze zu retten, indem sie sie in Häusern oder in anderen Städten, wie beispielsweise Köln, versteckten. Einige alte Reliquien zeigen, dass die Rettung manchmal knapp war. Sie sind beschädigt, schwarz verkohlt und/oder es fehlen die wertvollen Reliquiare. Aufgrund der hastigen Rettungsaktionen gab es oft keine Aufzeichnungen, und viele Informationen gingen verloren.
Als der Frieden wiederhergestellt war, kehrten die Reliquien aus verschiedenen niederländischen Kirchen in die Bischofsstadt Utrecht zurück. Sie wurden in der Gertrudiskapelle aufbewahrt. Dieser Reliquienschatz ging schließlich der römisch-katholischen Kirche verloren, als sich die Gertrudiskapelle abspaltete und als Altkatholische Kirche weitergeführt wurde. Die Altkatholiken legen weniger Wert auf die Heiligenverehrung, weshalb die Reliquien weitgehend ihre Funktion verloren.
Im Jahr 2011 schloss die Kunsthistorikerin Anique de Kruijf ihre Forschungen zu diesen Reliquien ab. Sie untersuchte und kartierte alle Reliquien. Die Sammlung umfasst Meisterwerke wie das Würgetuch von Cunera (4. Jahrhundert n. Chr.). Einige Reliquien wurden dem Museum Catharijneconvent als Leihgabe übergeben, und einige Reliquien sind auch in der Ste. Gertrudiskathedraal zu bewundern.
St. Gertrudenkathedrale heute

Die St. Gertrudiskathedrale ist noch heute die Hauptkirche der altkatholischen Gemeinde. Die drei Utrechter Pfarreien St. Jacobus, St. Marie und St. Gertrudis fusionierten 1986.
In der Kirche werden noch immer Gottesdienste abgehalten und verschiedene Aktivitäten organisiert. Links von der Kirche wurde der Komplex „In de Driehoek“ errichtet, zu dem auch die Gertrudiskapelle gehört. Diese Räume dienen als Treffpunkt für die Gemeinde, aber auch für andere Mieter.
Innere
Das Innere der St. Gertrud-Kathedrale birgt eine Fülle von Kirchenschätzen. Was sofort ins Auge fällt, ist die vielfältige Farbgebung im Innenraum. Die farbenfrohen Wandmalereien, Mosaike, Böden und Fenster machen den Innenraum der St. Gertrud-Kathedrale einzigartig.

Dem mittelalterlichen Vorbild folgend, ist die Kirche reich an Symbolik. Die Wände sind verputzt und mit Wandmalereien von A. Federlee aus Kleef verziert. Sie enthalten viele geometrische und christliche Motive. Auch das Mosaik über dem Haupteingang stammt von Federlee. Es zeigt Christus als Pantokrator (den Allherrscher) und die Heiligen Willibrord und Gertrud.
Im Gewölbe des Mittelschiffs befindet sich ein großes Gemälde, das Christus als guten Hirten, umgeben von seiner Herde, zeigt. Die Malereien im rechten Seitenschiff sind vor allem vom Glauben und der Eucharistie inspiriert. Das linke Seitenschiff mit dem Marienaltar ist vor allem dem Leben Mariens gewidmet.
Die Kirche enthält außerdem zahlreiche Gemälde bedeutender Utrechter Meister des 16. und 17. Jahrhunderts, wie Abraham und Hendrik Bloemaert sowie Jan van Bijlert. Die Gemälde stammen aus den geheimen Kirchen St. Jacobus, St. Maria Minor und St. Gertrudis.
Im rechten Seitenschiff steht eine Statue der Heiligen Gertrud. Sie wurde 1860 in Belgien angefertigt. Die Heilige Gertrud (626–659) war eine Äbtissin aus dem belgischen Nivelles. Sie konnte so konzentriert beten, dass sie der Überlieferung zufolge nicht bemerkte, als eine Maus ihren Stab hinaufkletterte. Deshalb wird sie mit Stab und Maus dargestellt. Eine Maus ist auch ein Symbol für die Abwehr des Bösen.

Der Marienaltar befindet sich im linken Seitenschiff. Die Statue von Maria mit dem Jesuskind stammt aus der Buurkerk und wurde 1470 von Adriaan van Wezel geschaffen. Die Statue überstand den Bildersturm, da sie rechtzeitig versteckt wurde. Seit 1989 befindet sie sich in der St.-Gertrud-Kathedrale. Das Gemälde hinter dem Marienaltar zeigt die Domkerk und die St.-Gertrud-Kathedrale, dahinter das Meer mit Schiffen und einem Sternenhimmel. Aufgrund einer falschen Übersetzung aus dem Lateinischen wurde Maria manchmal auch „Stern des Meeres“ genannt (der hebräische Name für Maria, Maryam, bedeutet auf Latein „Stilla Maris“ oder „Tropfen des Meeres“ statt „Stella Maris“ „Stern des Meeres“).
Die Glasfenster um den Hochchor wurden 1963 von Max Weiss geschaffen. Sie zeigen die vier festgelegten Gesänge der Eucharistiefeier. Die mittlere Rosette zeigt die Majestät Gottes mit Symbolen, die seine Herrlichkeit ausdrücken: das Kreuz, die Krone, das Schwert der Gerechtigkeit und den Hirtenstab der göttlichen Gnade.
Besondere Dekorationen
Dokumentenbox

Im nördlichen Seitenschiff, unter der Statue des Heiligen Martin, dem Schutzpatron der Stadt Utrecht und des Bistums, finden Sie die schöne Eisentruhe, die Neugier weckt.
Es handelt sich um eine Geld- und Dokumententruhe aus der Mitte des 16. Jahrhunderts mit einem raffinierten Schloss und wunderschönen Originalminiaturen in den Fächern. Die Truhe steht auf einem Holzsockel, der von einem Gemeindemitglied angefertigt wurde.
Darin heißt es, der Sarg stehe in Verbindung mit dem Collegium pastorum Ultrajectensium, das Bischof Philippus Rovenius 1646 heimlich gegründet hatte. Er brachte die Pfarrer der vier Stationen der Stadt, der Nachfolger der ehemaligen Pfarrkirchen, zusammen, um angesichts der stark steigenden Zahl der Gläubigen die Seelsorge besser organisieren zu können.
Der Sarg wurde von Pfarrer Faber, einem aus einer wohlhabenden friesischen Familie stammenden Pfarrer, hierhergebracht. Er wurde der erste Rendant (Verwalter) des Kollegiums, und der Sarg wurde später, ab 1740, von seinen Nachfolgern in dieser Funktion dorthin gebracht. Das Kollegium existiert noch immer, und der (leere) Sarg hat hier einen ehrenvollen Platz gefunden.
Kanzel

Die Kanzel wurde von HJ Koenen entworfen, dem Bauleiter der Kirche. Die Ausführung erfolgte am
22. Mai, J. Polet in Amsterdam gewidmet für die Summe von 1328 Gulden.
Die Kanzel ist im gleichen Stil wie die Kommunionbank gehalten und aus Stein und Marmor (belgisch blau) gefertigt, die gleiche Marmorart wird auch für den Hochaltar verwendet.
Schriftart
Die Taufkapelle der altkatholischen Kathedralkirche St. Gertrud befindet sich an der Westseite der Kirche in der Nähe des Eingangs. Diese Lage verdeutlicht, dass wir durch die Taufe in die Gemeinschaft der Kirche aufgenommen werden.
Ihnen

Das schlichte Becken des Taufbeckens ist eine italienische Arbeit aus dem frühen 18. Jahrhundert. Sockel und Deckel sind aus Holz gefertigt und wunderschön mit weißen und schwarzen Adern marmoriert, die denen des Zelebrationsaltars an der Vorderseite der Kirche entsprechen. Dies soll darauf hinweisen, dass Taufe und Eucharistie als Hauptsakramente zusammengehören. An der Wand des Baptisteriums befindet sich eine Darstellung der Arche Noah als Symbol der Taufe, die auch durch Wasser Seelen rettet.
Das Taufbecken stammt aus der ehemaligen Geheimkirche Sinte Gertrudis. Auch dort befand es sich an der Westseite der Kirche in der Nähe des Eingangs. In einem Medaillon über dem Eingangstor dieses Baptisteriums steht der Spruch: „Wer glaubt und getauft wird, wird gerettet.“ Besonders sind auch die beiden Taufbilder, die sich zu beiden Seiten des Baptisteriums befinden. Sie zeigen die Taufe des römischen und des äthiopischen Hauptmanns, beide aus biblischen Geschichten.
Orgel

Als die Gemeinde von der Gertrudiskapel in die neue Ste. Gertrudiskathedraal umzog, nahm sie die Orgel mit. Die Witte-Orgel stammte aus dem Jahr 1884 und wurde 1968 durch die aktuelle Orgel der Firma KB Blank en Zonen ersetzt. Die Holzschnitzerei stammt von Jeanot Bürgi und stellt die Schöpfung dar.
Unter der Orgel befinden sich Statuen der Schutzheiligen der niederländischen katholischen Kirche, St. Willibrord und St. Bonifatius. Die Statuen stammen aus dem 17. Jahrhundert und wurden für die Jacobuskerk in Utrecht (Prins Bernhardplein 39) angefertigt. Über den Statuen befinden sich zwei Wandgemälde. Sie zeigen König David mit seiner Harfe und die Märtyrerin Cäcilia mit einer kleinen Orgel. Sie sind die Schutzheiligen der (Kirchen-)Musik.
Uhren

In dieser altkatholischen St. Gertrudenkathedrale hängt ein Glockenspiel mit drei Glocken, das 1954 teilweise (die beiden größten Glocken) von Petit & Fritsen hergestellt wurde. Eine dritte, kleinere Glocke (Johannes) kam 1989 aus der Gießerei Eijsbouts und wurde im selben Jahr von Pfarrer Van Ditmarsch geweiht.
Gewicht der Glocken:
- Andreas, 92 cm, 485 kg.
- Willibrord, 77 cm, 280 kg.
- Johannes, 69 cm, 200 kg.
Textuhren:
- Text Andreas: Andreas, zu dem, der mich zuerst gerufen hat, rufe ich alle, die mich hören.
Diese Uhr war eine Spende des damaligen Erzbischofs von Utrecht, Mgr. Andreas Rinkel. - Text Willibrord: Willibrord ist der Name, der mir gegeben wurde, ich habe unser Volk aufgerufen, Go(e)de zu leben.
- Text Johannes: Das Alte Römisch-Katholische Armenhaus und der Förderverein der Domkirche haben mir gespendet (ungefähre Übersetzung).
Läutende Glocken
Gertrudenkathedrale
Außerdem befindet sich in der St. Gertrudis die alte Glocke aus der ehemaligen katholischen Jacobuskirche im Bemuurde Weerd (Utrecht), die um 1990 geschlossen wurde. Sie wurde 1871 von Rencker & De Block, einer Bronzegießerei in der Nähe der Jacobuskirche, hergestellt. Sie hat einen Durchmesser von etwa 55 cm und wiegt rund 100 kg. Sie klingt nicht rein, aber ihre Hersteller waren auch keine echten Glockengießer. Rencker & De Block war eine Kupfer- und Metallgießerei und Dreherei am Lauwerecht, spezialisiert auf Feuerwehrautos, Gaslaternen und Beleuchtung für Züge und Straßenbahnen.
Auf der Uhr sind neben dem Namen des Stifters und dem Gussjahr auch der Name der Kirche (ST. JACOBUS) und des damaligen Pfarrers (GA HARDERWIJK) vermerkt.
Bibliographie
- Hulzen, A. van, Utrechter Kirchen und Kirchengebäude, Baarn 1985.
- Hoogevest, CC van, „Die verborgene Kirche St. Gertrude“ in: Monatszeitschrift Oud-Utrecht 64 (1991) Nr.
7/8. S. 70–73.
- Herausgegeben von Peter van de Coolwijk, Gerrit-Jan Kraaij, Biem Lap, Leny Noordermeer, Nel
van de Ridder, Geo Rodermond, Ben van Spanje und Ton Tamse. Im Griff der Kirche. 25 Jahre
Kirchen im Blick auf Utrecht, Utrecht 2007.
- Kruijf, AC de, Staub bist du… Eine Teilinventarisierung des Reliquienschatzes der Altkatholischen
Gertrudenkathedrale in Utrecht, Utrecht 2008.
- Teuwissen, L., „Riesiger Reliktschatz kartiert“ in: NOS News, 24. März 2011.
(…) „Die Kathedrale der Heiligen Gertrud“ in: Alt-Katholisch Utrecht, März 2011.
Kruijf, AC de, Wunderbar erhaltene mittelalterliche Utrechter Reliquien unterwegs: der Schatz der
Altkatholische Gertrudenkathedrale, Zutphen 2011.
Text: Marieke Lenferink und Lisa Olrichs
Fotografie: Maarten Buruma, Nina Slagmolen und André Russcher (Kapelle)